Hürth-Hermülheim
Deutsch als Zielsprache
Unser Förderkonzept für Kinder,
die Deutsch als zweite oder weitere Sprache sprechen und lernen
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Natürliche Mehrsprachigkeit
3. Sprachbeobachtung als Grundlage der Sprachförderung
3.1. Eingangsbeobachtung neun Monate vor Schulbeginn: Schulspiel
3.2. Sprachbeobachtung in den ersten Schulwochen
4. Organisation der Sprachförderung und Einteilung der Sprachfördergruppen
5. Inhalte und Schwerpunkte in Deutsch als Zielsprache
6. Methoden der Sprachförderung
6.1. Förderung des Wortschatzes und der Grammatik
7. Sprachbeauftragte/Sprachbeauftragter
8. Literatur
1. Einleitung
Im Rahmen der individuellen Förderung an der Deutschherrenschule werden alle Kinder in ihrer deutschsprachigen Lernentwicklung unterstützt und gefördert. Unser Ziel ist es, dass alle Kinder so gut Deutsch sprechen und verstehen, dass sie sowohl im Unterricht mitarbeiten können, als auch ihre Lernpotentiale in der deutschen Sprache voll ausschöpfen. Wir arbeiten daran, dass alle Kinder einen Zugang zur Bildungssprache und konzeptioneller Mündlich- und Schriftlichkeit erhalten. Um dies zu erreichen fördern wir die Kinder sowohl jahrgangsbezogen als auch jahrgangsübergreifend in Kleingruppen.
Es gibt vielfältige Gründe, warum Kinder, die unsere Schule besuchen noch gar nicht oder noch nicht gut Deutsch sprechen und verstehen können. Einige von ihnen haben noch gar keinen oder nur kurzen Kontakt mit der deutschen Sprache, weil sie erst seit weniger Zeit in Deutschland leben. Andere kommen aus spracharmer Umgebung oder ihre deutschsprachige Entwicklung verläuft verzögert.
2. Natürliche Mehrsprachigkeit
Bei uns an der Deutschherrenschule sprechen die Kinder neben Deutsch viele unterschiedliche Familiensprachen. Diese wertschätzen wir und unterstützen eine sprachbewusste und ausgebildete Zweisprachigkeit. Die Wertschätzung der natürlichen Mehrsprachigkeit – vor allem in der Zusammenarbeit mit Eltern – ist ein wichtiger Bestandteil der Sprachentwicklung. Neben der Sprachkompetenz in deutscher Sprache ist Mehrsprachigkeit eine wesentliche Kompetenz, die wir als Leistung und Chance wertschätzen. Insbesondere die mehrsprachig aufwachsenden Kinder erleben sich dabei kompetent und selbstwirksam. Für alle Kinder bedeutet diese Wertschätzung auch das Kennenlernen von anderen Sprachen und das Erleben von Vielfalt.[1]
Dies geschieht an der Deutschherrenschule durch unterschiedliche Angebote und Unterrichtsformen.
Schon in der Eingangshalle begrüßen wir alle Mitglieder und Besucher der DHS in vielen unterschiedlichen Sprachen durch ein Wandbild.
Die Familiensprachen der Kinder werden in den Fördergruppen thematisiert beispielsweise durch mehrsprachige Begrüßungsrituale. Wir ermitteln und benennen Sprachexperten und –expertinnen unter den Schülern und Schülerinnen[2].
Bei Übungen zur Wortschatzerweiterung kann auch der Familienwortschatz mit einbezogen werden. So können die Kinder über Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten ihrer Herkunftssprachen ins Gespräch kommen und diese benennen[3].
Auch bei Schulfesten und Projektwochen wollen wir nach Möglichkeit die mehrsprachige Perspektive mitdenken und planen. So planten wir für ein Schulfest unter dem Motto „Tierolympiade“ ein mehrsprachiges Tierrufrätsel[4].
In unserer Schulbibliothek befinden sich mehrsprachige Kinderbücher und Wörterbücher, die sowohl von den Kinder ausgeliehen als auch mit den Lesementoren gemeinsam betrachtet und gelesen werden können.
Wir bieten AGs in Französisch und Spanisch an. Hier erleben sich die Kinder, die diese Sprachen sprechen als selbstwirksam und als Sprachexperten und -expertinnen.
Um die Sprachkompetenzen der Schüler und Schülerinnen in ihren Herkunftssprachen intensiv zu fördern, können die Kinder unserer Schule herkunftssprachlichen Unterricht besuchen. Dieser wird nach Bedarf an unterschiedlichen Schulen im Rhein-Erft-Kreis angeboten.
3. Sprachbeobachtung als Grundlage der Sprachförderung
Grundlage für eine individuelle deutschsprachige Förderung ist eine regelmäßige Sprachbeobachtung und Lernstandsermittlung. So schauen wir sowohl vor Schuleintritt, in den ersten Schulwochen als auch innerhalb der Sprachfördergruppen im laufenden Schuljahr, wo das Kind in seiner deutschsprachigen Lernentwicklung steht, was seine nächsten Lernentwicklungsschritte sind und wie wir diese gezielt fördern können. Dabei orientieren wir uns an den sprachlichen Entwicklungsschritten der deutschsprachigen Lernentwicklung, die Kinder im Regelfall durchlaufen. Die Sprachprofilanalyse von Grießhaber fasst diese zusammen und gibt Hinweise für Förderhorizonte der jeweiligen nächsten Sprachentwicklungsstufen.[5]
3.1. Eingangsbeobachtung neun Monate vor Schulbeginn: Schulspiel
Schon neun Monate vor der Einschulung wird mit den angemeldeten Kindern eine Schuleingangsbeobachtung, genannt Elmartag, durchgeführt. Neben Beobachtungen in den Bereichen Motorik, Mengenverständnis, Merkfähigkeit, optische Differenzierung, Auge-Handkoordination, manuelle Fähigkeiten werden auch sprachliche Aspekte beobachtet. Im Mittelpunkt stehen hierbei die phonematische Differenzierung[6], die phonologische Bewusstheit[7] und Erzählfertigkeiten. Falls bei den ersten Beobachtungen im schulischen Rahmen deutlich wird, dass das zukünftige Schulkind noch sprachlichen oder anderen Unterstützungsbedarf hat, wird eine passende Förderempfehlung an die Eltern gegeben, damit eine Förderung noch vor Schuleintritt begonnen oder intensiviert werden kann. Die Eltern haben zusätzlich die Möglichkeit, diese an die Kindertagesstätte weiterzuleiten, damit auch dort die Förderempfehlungen umgesetzt werden können.
3.2. Sprachbeobachtung in den ersten Schulwochen
In den ersten Schulwochen nach Schuleintritt bis zu den Herbstferien findet eine gezielte Beobachtung aller Kinder im ersten Schuljahr während des Unterrichts statt. Dabei wird auch der Sprachstand beobachtet. Ein/e Sonderpädagoge/in, die Schulsozialarbeiterin der Eingangsstufe, die DaZ-Förderkräfte und die jeweiligen Klassenlehrer und Lehrerinnen führen die Beobachtungen durch und tauschen sich in Stufentreffen über diese aus. Zusammen mit den Ergebnissen des Elmartages und, wenn vorhanden, mit den Erkenntnissen aus den Bildungsdokumentationen der Kindertagesstätten werden möglichst sprachhomogene Sprachfördergruppen gebildet.
4. Organisation der Sprachförderung und Einteilung der Sprachfördergruppen
Unter den Kindern, die einen erhöhten Sprachförderbedarf haben, gibt es die Kinder, die noch gar kein Deutsch verstehen und sprechen können, da sie erst seit ganz kurzer Zeit in Deutschland leben. Das sind Kinder, die die erste Klasse besuchen, aber auch ältere Kinder, die altersentsprechend eine Regelklasse besuchen. Sie verbringen den Großteil ihres Unterrichtsvormittags in ihren Klassen und haben so die Möglichkeit anzukommen, neue soziale Kontakte zu knüpfen und beiläufig mit dem Klang und dem Nutzen der deutschen Sprache vertraut zu werden. Das „Einhören“[8] in die lautlichen Strukturen einer Sprache ist die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Spracherwerb und braucht eine gewisse Zeit. Es gibt Kinder, die erst einmal wie verstummt erscheinen und kaum sprechen. Dieser Prozess ist ganz normal und wird in der Regel nach einiger Zeit[9] überwunden. Dadurch, dass die Kinder teilweise am Unterricht ihrer Stammklasse teilnehmen fördern wir den Aufbau von sozialen Beziehungen der Kinder altersgemäß und unterstützen damit das indirekte Lernen voneinander. Aus dem Kennenlernen der deutschsprachigen Kinder ergibt sich auf natürliche Weise das Bedürfnis, auch mit Ihnen kommunizieren zu können – und gleichzeitig können neue Freunde helfen, erste wichtige und relevante Wörter zu lernen. Zusätzlich können die Kinder schnell ihre mathematischen, künstlerischen, musikalischen und sportlichen Fähigkeiten einsetzen und zum Ausdruck bringen und sich so als selbstwirksam erleben.
Kinder mit anfänglichen Deutschkenntnissen verlassen mehrmals wöchentlich die Regelklasse und haben parallel zum Regelunterricht ihrer Klasse Sprachförderung in Kleingruppen.
Die Kinder, die in ihrer deutschsprachigen Lernentwicklung schon weiter sind, werden je nach Bedarf ein bis zwei Mal wöchentlich in Kleingruppen gefördert.
5. Inhalte und Schwerpunkte in Deutsch als Zielsprache
Der Schwerpunkt der Sprachförderung liegt auf dem kommunikativen Aspekt, besonders in den ersten Jahren, immer orientiert an den individuellen Fertigkeiten und Entwicklungsschritten der Kinder. Erstes Ziel ist die Kompetenzerweiterung des Hörverstehens (rezeptive Fertigkeit) und das Sprechen der deutschen Sprache erst in ganz einfachen Sätzen (produktive Fertigkeiten), später auch in komplexen Sätzen bis hin zu Nebensatzkonstruktionen. Später werden zusätzlich Lese- und Schreibkompetenzen gefördert. Beim Lesen stehen das Leseverständnis und das Lesetempo besonders im Mittelpunkt der Förderung. Auch die Kompetenzen der konzeptionellen Schriftlichkeit[10] und das Verstehen und Nutzen von Bildungssprache werden gefördert.
Zusammenfassend kann man sagen, dass wir uns an den folgenden Schritten orientieren: vom Verstehen über das Sprechen zum Lesen und zuletzt zum Schreiben.
Kinder, die zunächst noch Schwierigkeiten haben zu sprechen, können von Situationen profitieren, in denen nonverbale Kompetenzen Zugang und Ausdrucksmöglichkeiten bieten. Beispielsweise können lautmalerische Elemente bei Geschichten genutzt werden. Auch Tierlaute zu imitieren hat sich als eine gute Möglichkeit erwiesen, Sprachhemmungen abzubauen. Wenn Kinder auf Gegenstände zeigen, mit Nicken oder Kopfschütteln auf Ja oder Nein Fragen antworten, erleben sie sich als selbstwirksam, obwohl sie sich sprachlich noch so wenig äußern können. So können sie auf ihren bestehenden sprachunabhängigen Kompetenzen aufbauen und dadurch einen leichteren Zugang zur Sprache gewinnen[11].
Des Weiteren stehen grammatikalische Besonderheiten und Herausforderungen im Deutschen im Mittelpunkt der Förderung.[12].
Dazu gehören besonders:
· die unterschiedlichen Geschlechter (Genera) von Nomen
der Stift, die Schere, das Lineal
· die verschiedenen Möglichkeiten, die Mehrzahl (Plural) von Nomen zu bilden
der Roller – die Roller, das Auto – die Autos, die Puppe – die Puppen, der Hund- die Hunde, der Mund – die Münder, der Hut – die Hüte, das Fahrrad – die Fahrräder, der Baum – die Bäume, der Leiter – die Leiter, die Leiter – die Leitern
Es gibt nur vereinzelte[13], für Kinder kaum nachvollziehbare Regeln. Daher ist es unser Ziel, dass die Kinder in den Sprachfördergruppen bei der Wortschatzerweiterung immer die Pluralformen von Nomen mitlernen.
· Wechselpräpositionen (auf, unter, in, neben, hinter)
Das Buch liegt auf dem Tisch. Präposition auf plus Dativ! Fragewort wo?
Sie legt das Buch auf den Tisch. Präposition auf plus Akkusativ! Fragewort wohin?
· Flexionsformen von Verben, unregelmäßige Verben
ich gehe, du gehst, er, sie, es geht, wir gehen, ihr geht, sie gehen
ich bin, du bist, er ist, wir sind, ihr seid, sie sind
· Flexionsformen von Adjektiven
der grüne Stift, die grüne Schere, das grüne Buch, die grünen Bücher
ein grüner Stift, eine grüne Schere, ein grünes Buch, grüne Bücher
des grünen Stiftes, der grünen Schere, des grünen Buches, der grünen Bücher …
· Verbzweitstellung bei Satzumstellungen (Inversion)
Ich gehe in die Schule.
Heute gehe ich in die Schule.
In die Schule gehe ich heute.
· Satzklammer des Verbes (Finiter und Infinitiver Teil)
Ich ziehe meine Hose an. (Zusammengesetzte Verben)
Ich soll meine Hose anziehen. (Modalverben)
Ich habe meine Hose angezogen. (Perfektbildung)
· Bildung des Perfekts von Verben mit haben und sein
Ich habe getanzt. Ich bin gesprungen.
· Bildung des Präteritums
Ich spielte. Ich aß.
· Kasusrektion von Verben: Ein Verb regiert (=verlangt) einen Kasus.
Der Junge hilft der Großmutter. Das Verb „helfen“ verlangt den Dativ.
Der Junge sucht die Großmutter. Das Verb „suchen“ verlangt den Akkusativ.
· Nebensätze mit Konjunktionen und Verbletztstellung
· Konjunktiv
Bei der Planung der Sprachfördereinheiten orientieren wir uns an den unterschiedlichen Sprachebenen:
Lautbildung und Lautwahrnehmung (Phonetik und Phonologie)
Betonungsmuster und Sprachmelodie (Prosodie und Intonation)
Wortschatz (lexikalische Kompetenzen), Wortbedeutung (Semantik)
Grammatik des Wortes (Morphologie)
Satzgrammatik (Syntax)
Erzähl- und Ausdrucksfertigkeiten (pragmatische Kompetenzen), besonders auch im Bereich der konzeptionellen Mündlichkeit[14].
6. Methoden der Sprachförderung
Die oben beschriebenen Förderinhalte sollen in für die Kinder sinnstiftende Unterrichtsvorhaben integriert werden. Es geht nicht um das sture Abarbeiten von einzelnen Grammatikphänomen, sondern um eine integrative Deutschförderung, wo die Interessen und Lebenswirklichkeiten der Kinder aufgenommen werden. Außerdem gilt es die einzelnen Sprachbereiche auf sinnvolle Weise miteinander zu verknüpfen. So wird bei dem Themenfeld Schule nicht nur der Wortschatz eingeführt und geübt, sondern auch entsprechende Grammatikübungen und Geschichten und Erzählungen integriert. Eine Methodenvielfalt eröffnet den Kindern unterschiedliche Lernmöglichkeiten. Von großer Bedeutung ist es, dass sich die Lehrkraft ihrer wichtigen Funktion als Sprachvorbild bzw. Inputgeberin bewusst ist. Kinder, die noch nicht so weit in ihrer deutschsprachigen Lernentwicklung sind, haben noch wenig implizites Grammatikwissen gespeichert. Sie brauchen beispielsweise die Vorgabe, welches Genus ein Nomen hat. Sie sollen an dieser Stelle nicht raten müssen.
6.1. Förderung des Wortschatzes und der Grammatik
Durch Spielen, Singen, Reimen und das Trainieren von Redewendungen und festen Ausdrucksweisen, lernen die Kinder zu Beginn der Förderung einen Wortschatz, den sie für eine altersgemäße Kommunikation im Alltag und in der Schule benötigen. Schwerpunkte bilden die vier Themenfelder Schule, Wohnen, Einkaufen und Verkehr[15].
Als zielführend und sehr motivierend für die Kinder hat sich die Arbeit mit Bildkarten, Wimmelpostern, Wortschatzplakaten und Sprachspielen erwiesen.
Im Bereich der Grammatikförderung nutzen wir besonders das Chunklernen[16], Artikelsensibilisierung nach DeMeK[17], generatives Schreiben, Grammatikplakate und gezielte Übungen zu bestimmten Phänomenen, auch handlungsorientiert.
Das Wort Chunk lässt sich mit Brocken, Batzen oder auch Datenblock übersetzen. In der Fremdsprachendidaktik wird der Begriff benutzt um eine Lernmethode zu beschreiben. Unter Chunks versteht man fest gefügte Einheiten der Sprache, Redewendungen, Satzmuster oder Wortverbindungen, wie zum Bsp. den Kopf schütteln. Diese Spracheinheiten werden als Ganzes abgespeichert und kompetente Sprecher nutzen sie kontinuierlich. Auch kleine Kinder, die noch ganz am Anfang ihrer Sprachentwicklung stehen und erst wenige Worte sprechen können, überraschen uns mit immer wiederkehrenden Floskeln, die sie scheinbar zusammenhängend erlernt haben. Beim Chunklernen hat die Lehrkraft das grammatische Regelwerk im Kopf und bietet zu den besonderen grammatikalischen Herausforderungen feste Redewendungen an. Dabei arbeitet sie kompetenzorientiert und greift noch nicht korrekte Kinderäußerungen auf. „Brauche Stift.“ Die Lehrkraft gibt den Satz „Darf ich bitte einen Stift haben?“ als Muster vor. In Chunkrunden ersetzen die Kinder in diesem Fall das Objekt durch andere Wörter in „Darf ich bitte eine Schere haben?“ oder „Darf ich bitte ein Mäppchen haben.“ Da Kinder besonders nachhaltig mit Spaß lernen, dürfen auch Quatschsätze wie „Darf ich bitte Ronaldo haben?“ gebildet werden. Der Fantasie der Kinder sind an dieser Stelle keine Grenzen gesetzt, die Grammatik soll aber richtig sein und wird gegebenenfalls auch direkt verbessert. Es geht hier um das Einschleifen von richtigen Satzmustern und das implizite Lernen von grammatikalischen Regeln (hier Satzklammer mit Modalverb, Subjekt-Prädikat-Inversion im Fragesatz, Veränderung des Artikels im Akkusativ). Ergänzt werden kann diese Satzvorlage später durch Adjektive. So wird die Beugung von Adjektiven geübt. „Darf ich bitte den grünen Stift haben?“ „Darf ich bitte die grüne Schere haben?“ „Darf ich das grüne Buch haben?“. Auch das Verb kann später ersetzt werden. „Darf ich das grüne Buch kaufen, stehlen, ausleihen, mit nach Hause nehmen …?“
Die Lehrkraft greift aber nicht nur fehlerhafte Äußerungen auf, sondern sucht für die Themen der Wortschatzerweiterungen passende Chunks heraus.
Auch im alltäglichen Schulleben ergeben sich viele Möglichkeiten, Chunks zu finden und zu üben. In der Karnevalszeit führten wir folgende Chunkrunden durch. „An Karneval verkleide ich mich als …“ „Dafür ziehe ich … an.“
Einige weitere Vorschläge für Chunkübungen finden sich im Anhang.
Bei der Artikelsensibilisierung nach DeMeK werden dem grammatikalischen Geschlecht von Nomen bestimmte Farben zugeordnet. Alle männlichen Nomen (der Wörter) erhalten eine blaue Farbzuordnung, sächliche Nomen (das Wörter) eine grüne, weibliche Nomen (die Wörter) eine rote. Besonders bewährt haben sich Sortierübungen von Bildkarten auf farblich entsprechende Bodentücher. Auch Wortschatzplakate werden in diesen Farben gestaltet. Im Anhang finden sich Beispiele für schon erprobte Unterrichtseinheiten.
Das generative Schreiben ist eine Methode, die maßgeblich von Gerlinde Belke veröffentlicht wurde[18]. Kinder lernen ein Gedicht, welches unter bestimmten grammatikalischen Schwerpunkten ausgesucht wurde, auswendig und ersetzen später einzelne Wörter oder Satzteile durch eigene Ideen. Auch hier gibt es ein sprachliches Vorbild in Textform an dem sich die Kinder in ihren eigenen Textproduktionen orientieren können.
Phonetische und phonologische Kompetenzen fördern wir durch Lieder singen, Sprach- und Reimspiel, Raps und Spiele zur auditiven Aufmerksamkeit und Diskriminierung.
Mit dialogischen Bilderbuchbetrachtungen[19] unterstützen wir besonders die Wortschatzerweiterung, Erzählfertigkeit und sowohl die konzeptionelle Mündlich– und Schriftlichkeit.
Computergestützte Lernprogramme wie Lernrudi und Budenberg ergänzen die Lernmöglichkeiten.
Die DaZ Lehrpersonen stehen nach Möglichkeit im Austausch mit den Stufenteams und verknüpfen die Förderung mit den Themen des Deutschunterrichtes.
7. Artikelsensibilisierung in allen Klassen des ersten Schuljahres
Da deutlich mehr als die Hälfte unserer Schülerinnen und Schüler Deutsch als weitere Sprache lernt und viele Kinder, sowohl durch die langen Schließungszeiten der Kindergärten während der Coronapandemie als auch durch Neuzuwanderung, anfänglich Deutsch sprechen, haben wir uns im Schuljahr 2022/23 entschlossen, die Artikelsensibilisierung in allen Klassen durchzuführen. So können alle Kinder gemeinsam von der Artikelsensibilisierung profitieren und die Visualisierung der drei Genera von Nomen durch drei Farben im Regelunterricht aufgegriffen werden. Des Weiteren wird so die Vorläuferfähigkeit Wortbewusstheit gefördert (neuer Lehrplan).
8. Sprachbeauftragte/Sprachbeauftragter
Darüber hinaus berät der/die Sprachbeauftragte, der/die, sofern nötig, zu Beginn des Schuljahres durch die Lehrerkonferenz gewählt wird bei Fragen des sprachsensiblen Unterrichts und bei der unterrichtlichen Durchführung des Deutschunterrichts unter dem Blickwinkel der besonderen Herausforderungen der deutschen Sprache für DaZ Kinder.
Literatur:
Bezirksregierung Köln (Hrsg.) (2018). DeMeK. Deutschlernen in mehrsprachigen Klassen. Arbeitshilfen für den Unterricht in der Primarstufe.
Bezirksregierung Köln (Hrsg.) (2017). Sprachstark – Deutschlernen in mehrsprachigen Klassen. Fachliche und fachdidaktische Perspektiven.
Grießhaber, W. (2010). Sprachkenntnisse einschätzen - Schreibfertigkeiten fördern. In C. Benholz, G. Kniffka & E. Winters-Ohle (Hrsg.), Fachliche und sprachliche Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund (S. 115–135). Münster: Waxmann.
Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2008). Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf: Ritterbach.
Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen und Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2016). Bildungsgrundsätze. Mehr Chancen durch Bildung von Anfang an. Grundsätze zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen. Freiburg: Herder.
Wöllstein, Angelika und die Dudenredaktion (2016). Duden. Die Grammatik. Berlin: Dudenverlag.
[1] Bildungsgrundsätze (2016) S. 92
[2] Siehe im Anhang Kopiervorlagen und Unterrichtsideen.
[3] Lehrplan (2008) S. 34
[4] Tierrufe werden in Sprachen unterschiedlich ausgedrückt. So sagt man im Deutschen, dass der Hahn „Kikeriki“ ruft, im Französischen hingegen „coquerico“. Für das Rätsel werden Tierstimmen aus vielen Herkunftssprachen von den Kindern nachgeahmt, aufgenommen und daraus ein Hörquiz erstellt. Des Weiteren werden Wortschatzplakate mit den Tiernamen in unterschiedlichen Sprachen mit den Schülerinnen und Schülern gestaltet.
[5] Im Anhang findet sich eine Zusammenfassung der Meilensteine der sprachlichen Lernentwicklung von Einwortäußerungen, über Zwei- bis Dreiwortsätze bis zu komplexen Sätzen mit Nebensatzkonstruktionen nach Grießhaber (2010) und Förderhorizonte.
[6] Kann das Kind unterschiedlich klingende Laute unterscheiden? Kann das Kind ähnlich klingende, aber doch unterschiedliche Laute erkennen und nachsprechen [Boot – Brot]?
[7] Kann sich das Kind schon formalen Aspekten der Sprache zuwenden oder bleibt es nur bei der Wortbedeutung? Wenn ein Kind das Wort „Maus“ hört, denkt es vielleicht nur an das kleine graue Tier mit dem langen Schwanz. Wenn es schon phonologische Bewusstheit entwickelt hat, kann es sich von der Wortbedeutung lösen und wahrnehmen, dass man bei dem Wort Maus zu Beginn ein [m], dann ein [au] und dann ein [s] hört. Wenn das Kind hören kann, dass sich „Maus“ und „Haus“ am Ende des Wortes gleich anhören, hat es schon weitreichende phonologische Kompetenzen erreicht. Das Hören von Reimwörtern ist auch ein Aspekt der Phonologischen Bewusstheit. Bei einem regelhaften Sprachentwicklungsprozess erwerben Kinder zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahr diese Kompetenz, die eine Grundvoraussetzung für den Schriftspracherwerb ist.
[8] Dieser Prozess wird auch Sprachbad bzw. Sprachimmersion genannt.
[9] Falls dieser Prozess länger als vier Monate dauert, sollte eine vertiefende Diagnostik aufgenommen werden, um mögliche Ursachen zu ergründen und dies bei der Förderung zu berücksichtigen.
[10] Unter konzeptioneller Schriftlichkeit versteht man, dass Texte nicht einfach so aufgeschrieben werden, wie man spricht, sondern nach bestimmten Kriterien. Dazu gehört der rote Faden, eine logische Reihenfolge, Verständlichkeit und das Einhalten von Textkriterien bei bestimmten Teten wie Nacherzählung, Bericht oder Rezepten.
[11] Bildungsgrundsätze (2016) S.92
[12] Lehrplan (2008) S. 24
[13] Duden. Die Grammatik (2016) S. 172ff
[14] Unter konzeptioneller Mündlichkeit versteht man, dass das Gesprochene oder Erzählte einem schriftlichen konzeptionellen Text ähnelt und der Adressatenbezug deutlich wird. Die Kinder lernen, in einer sinnvollen Reihenfolge interessant, abwechslungsreich und auch für die Zuhörer und Zuhörerinnen verständlich etwas Erlebtes zu erzählen, zum Beispiel wenn sie im Montagskreis vom Wochenende erzählen.
[15] Umfangreiches Unterrichtsmaterial unter anderem aus dem Finkenverlag befindet sich im Sprachenraum, eine genaue Auflistung im Anhang.
[16] Siehe den Artikel von Barbara Ziebell und Susanne Oberdrevermann Das geht ins Ohr! Chunks – oder wie es zum Ohrwurm-Lernen bei Demek und Quiss kam in: Sprachstark – Deutschlernen in mehrsprachigen Klassen. Fachliche und fachdidaktische Perspektiven. Hrsg von der Bezirksregierung Köln.
[17] Siehe den Artikel von Silvia Beu Einstieg in die Unterrichtsarbeit mit DeMeK. Ebd.
[18] Gerlind Belke. Vom Nutzen der Praxis in die Theorie: „Generatives Schreiben“ im Kontext sprachdidaktischer, pädagogischer und linguistischer Theorien der vergangenen Jahrzehnte. Ebd.
[19] Eine Liste mit an unserer Schule schon erprobten Bilderbüchern und Hinweisen, welche sprachlichen Schwerpunkte gefördert werden können, finden sich im Anhang.